Kunstpreis 2010 für Jens Velling-Schürmann
MATINEE mit Preisverleihung am 13. November 2010
im 11 Uhr Forsthaus, Am Schlossberg 1, 91757 Treuchtlingen
Jens Velling-Schürmann, geboren 12. 11. 1969 in Bremen
1995–98 Berufsfachschule für Holzbildhauer / Oberammergau
1999 Tätigkeit als freischaffender Bildhauer
2003 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg bei Prof. Ottmar Hörl
2007 Meisterschüler bei Professor Ottmar Hörl
2009 Abschluss der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg
Fotografierte Tabellen: Vertikalität mal Zeit
Zu den Fotografien von Jens Velling-Schürmann
Jens Velling-Schürmann schafft eine Möglichkeit, „Ereignisse aufzuzeichnen und die Darstellung der Bewegung auf einen Blick im Bild sichtbar zu machen“.
Um diese Idee zu verwirklichen, konstruierte Velling-Schürmann über mehrere Jahre hinweg ein Aufzeichnungsgerät, das eine Verbindung zwischen Foto- und Filmkamera darstellt. „Von der Fotografie
entnommen ist die Form der Darstellung und vom Film die Fähigkeit, Ereignisse im Ablauf darzustellen.“In dieser Kamera befindet sich vor der Filmebene ein feiner senkrechter Schlitz, durch den das
Licht auf den Film fällt. „Der Film ist nicht statisch wie bei einer gewöhnlichen Kamera, sondern wird mit einer einstellbaren Geschwindigkeit an dem Schlitz vorbeigezogen“, so Jens
Velling-Schürmann. Das Resultat ist ein noch nicht wahrgenommenes Bild der Wirklichkeit, das unserem Sehen ein neues Bild von Welt zeigt: Statische Objekte bilden sich durch diese Kamera als
waagrechte Linien ab, bewegte als senkrechte.
Richtet man die Kamera frontal auf einen mit einer Ampel gesicherten Fußgängerüberweg, wird man sehen, dass die Autos nacheinander an der Haltelinie halten. Aus der Breite des Autoabbildes lässt sich
schließen, wie lange die Autos dort gestanden haben. In der Rotphase für die Autos zeigt sich, wie viele Fußgänger die Straße über- quert haben. Sie werden als senkrechte Linien auf der Fotografie zu
sehen sein. Die Intervalle der Ampelschaltung sind gut zu erkennen, weil der zeitliche Ablauf von Rot- und Grünphasen durch das Auftauchen von Fußgängern bzw. Autos gezeigt wird.
Jens Velling-Schürmann interessiert sich für diejenigen Gegenstände oder Phänomene, die sich bewegen oder denen eine Veränderung widerfährt: „Der Gegenstand interessiert mich und/oder sein
Verhalten.“ Er experimentiert mit der Beobachtung von Natur. Welches Bild bildet sich durch die Kamera ab, wenn man ein Meer mit starkem Wellengang fotografiert? – Die nacheinander auf den Strand
klatschenden Wellen werden hintereinander dokumentiert. Nie gesehene Wellenlandschaften türmen sich vor dem Betrachterauge auf.
Jens Velling-Schürmann sind die klassischen Parameter der Fotografie trotz seiner besonderen fotografischen Methode wichtig: „Ich spiele mit den Schärfebereichen des Bildes. Wichtig ist die Farbe,
der Ausschnitt; entschei- dend ist auch, dass ein räumlicher Eindruck entsteht und das Bild nicht in der Fläche bleibt.“
Der Künstler zeigt uns dabei Ereignisse, die sich auf verschiedenen Ebenen entwickeln. Die so entstehenden Zeilen geben Auskunft über den Bewegungsinhalt, der sich in einer Zeilenebene ereignet.
Zeitliche Abläufe spiegeln sich in vertikalen Taktstrukturen, die im Bild beispielsweise Auskunft über Fußgänger und Autos zulassen.
Die durch den Schlitz resultierende vertikale Linie benennt die Veränderung des Gegenübers in einem festgelegten zeitlichen Ablauf. Nach einer Sekunde ist der unbewegte Gegenstand in der unteren
Bildebene noch immer sta- tisch, in der darüber liegenden Ebene ist hingegen ein neues Element aufgetaucht, das nach zwei Sekunden wieder verschwunden ist. Liest der Betrachter Velling-Schürmanns
Bilder auf diese Weise, erfährt er eine Menge über Zeit, Veränderlichkeit und ihre Dokumentation.
Ein passendes strukturelles Bild dieser Aufnahmen von Velling-Schürmann sind Tabellen: „Alle Arbeiten, die ich mache, haben etwas mit Zeit zu tun. So ist die Tabelle die passende und richtige
Darstellung. Ich ersetze den Bildinhalt der waagrechten Koordinate durch die Zeit.“
Tobias Loemke, Oktober 2010